C.G. Jung Gesellschaft Berlin
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» Liebe neu gedacht – die alte Minne der Mystikerin Hadewijch «

25. Mai 2024 - 15:00 Uhr
Evangelisches Kirchenforum Stadtmitte an der Parochialkirche, Klosterstr. 66, 10179 Berlin
Referent: Heike Schmitz

Unsere Referentin schreibt dazu:

„Ach, die Minne ist allzeit neu / und erneuert sich jeden Tag. / Sie lässt die Neuen / immer in neuem Wohlergehen neu geboren werden“. So hat es Hadewijch vor 800 Jahren gesungen – und es könnte neu gelesen werden. Die Minne – das war ihr Alles. Sonderbar, dass uns dieses Wort, das uns im 21. Jahrhundert vielleicht neu etwas zu sagen hätte, in der Geschichte verloren gegangen ist. Es stand im Zentrum des spirituellen Denkens von Frauen ihrer Zeit, die zum ersten Mal in ihrer Muttersprache schrieben, sangen, dichteten – von ihrem ‚Minnen und Meinen‘ – und dabei die auf Latein predigenden Priester auch herausgefordert haben müssen. Viele von ihnen lebten im Brabant des 13. Jahrhunderts, im heutigen Belgien. Eine Zeit neu entstehenden regen Handels und der Urbanisierung in Städten wie Gent, Brügge, Löwen, Antwerpen. Darin eine einzigartige Lebensform: Beginenhöfe. Frauen, die weder heirateten noch sich einer klösterlichen Ordnung unterwarfen, bauten ihre eigenen kleinen Stadtviertel und wurden aktiver Teil der Stadtgesellschaft. Märkte entwickelten sich, erste frühkapitalistische Wirtschaftsformen. Das Wort „Mystik“, mit dem ihre Texte eingeordnet werden, lenkt manchmal allzu sehr von der Tatsache ab, dass diese Schreibenden äußerst tätige, rege Menschen in ihrer Gegenwart waren mit weit verzweigten Verbindungen innerhalb Europas. Eine spannende Umbruchszeit, die die Geschichte bis heute prägt – nur dass uns eben jenes Wort abhanden gekommen ist, das ihnen so wichtig war: Minne. Da ist etwas verschwunden.
Der Vortrag möchte anregen, ins Gespräch zu kommen, zu einer Spurensuche, einer Wortsuche – bei der vielleicht etwas aus der Sprach- und Geistesgeschichte wiedergewonnen werden könnte. Etwas, das unsere eigene krisenhafte Umbruchszeit womöglich bereichern könnte, indem es alte Denkmöglichkeiten neu ersinnt. Das Neue der alten Minne – immer wieder spricht Hadewijch davon und verkörpert es in ihrem Schreiben. Sie erfindet neue Wörter, wandelt literarische Formen um, schreibt aus Erfahrung mit ihrem freien Geist eine andere Körperlichkeit in die Schrift ein. Ein Satz von ihr bezeugt, dass sie von der Gefahr der Inquisition weiß und von dem Tod einer Frau, die „wegen der Wahrhaftigkeit ihrer Minne“ hingerichtet wurde. Aus der Minne aber speist sich in Hadewijchs Denken alles Lebendige. Zu wachsen und zu reifen im Sinne der Minne ist ihr ständiges Anliegen. Angesichts so vieler Krisen unserer Gegenwart, unseres erkrankten Planeten Erde, tut es not, in der Geistesgeschichte nach Verschüttetem zu schürfen, das vielleicht alte Wege neu eröffnen könnte. „Ach, die Minne ist allzeit neu“.

Zur Person:

Heike Schmitz, Jg.1966, studierte Germanistik, Psychologie und Soziologie in Frankfurt am Main. Literaturwissenschaftliche Promotion über Ingeborg Bachmann und Clarice Lispector. Arbeiten u.a. zur „Frauenmystik“ und zum Weiterwirken des Nationalsozialismus in den Kriegskindern und -enkeln. Sie lebt in Berlin.

Teilnahmegebühr  12/10/8 € (Gäste/MItglieder/Studenten und Erwerbslose)

Ort: Evangelisches Kirchenforum Stadtmitte an der Parochialkirche, Klosterstr. 66, 10179 Berlin

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