C.G. Jung Gesellschaft Berlin
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Lektüreseminar: »Das Rote Buch und die Metamorphose der Welt « Eine Forschungsreihe auf der Suche nach dem Mythos der Zukunft.

12. Februar 2022 - 10:30 Uhr
Evangelisches Kirchenforum Stadtmitte an der Parochialkirche, Klosterstr. 66, 10179 Berlin
Referent: Dr. Alfred Messmann, Dr. Reinhart Kroeber

Dr. Messmann schreibt dazu:

„Allerorts erhebt sich die Frage nach Weltanschauung, nach Sinn von Leben und Welt. Wir haben Weltanschauung nicht für die Welt, sondern für uns. Wenn wir nämlich kein Bild von der Welt als Ganzem erschaffen, so sehen wir auch uns nicht. .. Und nur im Spiegel unseres Weltbildes können wir uns völlig sehen. Nur in dem Bilde, das wir erschaffen, erscheinen wir.“ (C.G. Jung. GW8. § 737).
„Weltanschauung haben heißt: ein Bild von der Welt und sich selber erschaffen, wissen, was die Welt ist und wer ich bin.“ (C.G. Jung. GW 8, § 698).

Die Welt, in der wir leben, verändert sich nicht bloß; sie befindet sich in einer Metamorphose. Das bisherige Theaterstück auf der Weltbühne mit dem Name der Moderne hat ausgedient. Endzeitkrisen, durch die Moderne selbst hervorgebracht, dominieren. Die Überlebensfrage der Menschheit ist gestellt. Noch aber ist die neue Dramaturgie nicht geschrieben.

Was wird die neue große Erzählung sein, die vom Planeten Erde in dieser Phase des fundamentalen Umbruchs spricht? Die Erzählung eines systemischen Kollaps, einer Apokalypse mit ihren Vorboten einer kollektiven Paranoia und Verwerfungen oder lassen sich bereits Anzeichen eines neuen Weltbilds ausmachen, das von einer digital aufgerüsteten Zivilisation mit ökologischem Anspruch erzählt? Wie hätte eine Weltanschauung in unserer Zeit der Transformation auszusehen, die den Menschen eine sinnstiftende Perspektive eröffnet, ihnen Mut zum Aufbruch macht? Zu einem schöpferischen Neubeginn?

Zeiten des Umbruchs sind immer auch Zeiten eines potentiell schöpferischen Neustarts, eine große Chance, eigene Potentiale zu entdecken und zur Entfaltung zu bringen. Dies hat Jung mit seinem „Roten Buch“ gezeigt: Das Neue kann entstehen, wenn man sich gegen den Zeitgeist behauptet und mit einer „Nachtmeerfahrt“ die Reise zu der Quelle des Schöpferischen in den Tiefen des kollektiven Unbewussten vornimmt.

In der neuen Forschungsreihe bildet das „Rote Buch“ von Jung einen guten Leitfaden der Orientierung. Eine gute Lernfolie, aus der man beispielhaft entnehmen kann, wie sich mit dem Akt der eigenen Selbsterschaffung – im Prozess der Individuation – ein neues Seh-Raster herausbildet, durch das man die Welt und sich selbst in dieser Welt neu zu sehen beginnt. Ganz nach der Erkenntnis von Max Planck: „Wenn Du die Art und Weise änderst, wie du die Dinge betrachtest, ändern sich die Dinge, die du betrachtest“. Mit diesem neuen Seh-Raster wird man die Metamorphose der Welt vor Augen haben und entdecken, dass wir alle Teil dieses fundamentalen Lernprozesses sind – mit neuen Handlungsoptionen!

Mit Jungs Erfahrungen im Gepäck werden in der Forschungsreihe Wissenschaftler*innen, Philosoph*innen und Künstler*innen daraufhin befragt, ob und inwieweit sie in ihren Selbst- und Weltbildern dieser Metamorphose Rechnung tragen. Mit C. G. Jung lautet hier die Leitfrage: Können wir uns in dem Bild, das die Forscher*innen von der Welt und von sich selbst erschaffen haben, spiegeln und für uns eine sinnhafte Struktur entdecken?

Nach einer kurzen Einführung in die Forschungsreihe wird von Dr. Reinhart Kroeber das Werk von Jacob Böhme mit dem Titel: „Das Gottes- und Menschenbild im Werk des Mystikers Jacob Böhme“ vorgestellt und für uns mit dem Blick auf den Mythos der Zukunft zur Diskussion gestellt.

Dazu schreibt R. Kroeber:
J. Böhme, Schuhmacher aus Görlitz, ein streitbarer Widerspruchsgeist während der Zeit der Reformation, erlebt Visionen, in denen ihm die Gottes- und Naturerkenntnis als innere Schau eröffnet wird. Der Vortrag beleuchtet zunächst Böhmes Leben im Kontext seiner historischen Zeit und stellt darauf aufbauend Ergebnisse seines Werks bezogen auf das Innewerden seines Gottes- und Menschenbildes dar. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der weiblichen Kraft im Kontext seines Gottesbildes gewidmet: Es ist Sophia, die Göttin der Weisheit, die Böhme im Bild der göttlichen Trinität ansiedelt und die in seinem Verständnis das göttliche Gebären als ewige Bewegung (Werden) sicherstellt.

Die Schöpfung ist nicht abgeschlossen dank der Wirksamkeit des weiblichen Prinzips – gerade diese Einsicht Böhmes ist es, die für uns heute mit dem Blick auf den Mythos der Zukunft so hoch bedeutsam ist. Diskussionsrunden und Kleingruppenarbeit ergänzen den Vortrag.

Zu den Personen:

Dr. Alfred Messmann, Studium der Erziehungswissenschaft. Ausgebildet in Kommunika-tionspsychologie und der Prozessarbeit nach A. Mindell (in Fortsetzung der Psychologie C. G. Jungs). Seit 1995 tätig als selbständiger Coach und psychologischer Begleiter für Tiefen-prozesse. Autor zahlreicher Aufsätze zu Psychologie und Kunst. Vorstandsmitglied der C.G. Jung-Gesellschaft.

Dr. med. Hans Reinhart Kroeber, Arzt für Psychotherapeutische Medizin in eigener Praxis seit 30 Jahren, seit 16 Jahren in Werder/Havel. Lektor der evangelischen Landeskirche seit 2006. 2012 Gründung eines offenen „christlichen Meditationskreises an der Garnisonskirche Potsdam“ (zus. mit Helga Dobrick-Kroeber, Kunst- und Entspannungstherapeutin).

Kostenbeitrag 12 / 10 / 8 €  (Gäste/Mitgliede/Studierende und Erwerbslose)

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