C.G. Jung Gesellschaft Berlin
  • Veranstaltungen

Vortrag und Planung einer neuen Arbeitsgruppe: » Jung und der westliche (spirituelle ) Weg aus heutiger Sicht «

26. Juni 2022 - 11:00 Uhr
Evangelisches Kirchenforum Stadtmitte an der Parochialkirche, Klosterstr. 66, 10179 Berlin
Referent: Dr. med. Manfred Krapp (Berlin)

Der Referent schreibt dazu:

„Die Weisheit und die Mystik des Ostens […] sollen uns an das erinnern, was wir in unserer Kultur an Ähnlichem besitzen und schon vergessen haben.“ (Jung GW 11, par. 963) Dieses Sich-Erinnern ist nach Jung von großer Bedeutung für den Individuationsprozess. Zu diesem lassen sich gleichermaßen „in der östlichen wie westlichen Mystik“ (Jung GW 8, par. 431) Entsprechungen auffinden.

Zur intensiveren Bewusstmachung unseres abendländischen spirituellen Erbes möchte ich eine Arbeitsgruppe bilden, in der wir die westliche mystische Tradition näher kennenlernen und uns mit ihrer Bedeutung in der heutigen Zeit auseinandersetzen. In einem ersten Schritt könnten wir die vielfältigen Bezüge zu ihr in Jungs Gesammelten Werken und Briefen zusammenfassen. Es sind vor allem christliche Mystiker wie Meister Eckhart, Ignatius von Loyola, Johannes vom Kreuz, die Frauen- und Liebesmystik einer Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg u.a., Nikolaus von der Flüe, Jakob Böhme, Kirchenväter wie Origines, Augustinus und Thomas von Aquin oder mystische Philosophen bzw. Theologen wie Plotin und Dionysius Areopagita. Eine lohnende ergänzende Lektüre zu Jung ist auch „Der mystische Mensch“ von Erich Neumann.

Parallel dazu könnten wir uns näher mit einem Protagonisten der christlichen Mystik befassen. Für einen Einstieg möchte ich Johannes vom Kreuz und seine Mystik der Dunklen Nacht der Seele vorschlagen. Für Jung veranschaulicht sie die Gefahren des Individuationsprozesses. Als bildgewaltige Metapher für schwere Depressionen, Selbstfindungs- oder spirituelle Krisen hat sie auch Einzug in die Fachliteratur über Psychotherapie und Spiritualität gehalten. In unsere Zeit von Klimawandel, Coronapandemie und Ukrainekrieg bekommt sie zunehmend kollektive Bedeutung. Neben dem Originaltext bietet sich dazu Sekundärliteratur von Benkert und Körner an, zwei in der monastischen Tradition von Johannes vom Kreuz lebende Karmelitermönche.

Die von mir geplante Arbeitsgruppe könnte einmal im Monat mit zwei anderthalb Stunden dauernden Blöcken stattfinden. Im ersten Teil widmen wir uns mehr den Texten, im zweiten Teil können wir allgemeinere Themen zu Meditation und Spiritualität erörtern und, eventuell verbunden mit Kurzreferaten, Grundbegriffe näher klären, z.B. was ist eine religiöse, spirituelle oder mystische Erfahrung, welche Unterschiede gibt es usw.. Dabei besteht auch die Möglichkeit eines persönlichen Austausches, z.B. über eigene meditative Erfahrungen und/oder solche im professionellen oder persönlichen Umgang mit Meditierenden und Menschen mit spirituellen Erfahrungen. Wir könnten auch Vorträge über die christliche mystische Tradition, Religionswissenschaft und über die Meditations-, Mystik und Psychotherapieforschung vorbereiten.

Beim ersten Treffen am 26.6.2022 werde ich in einem einleitenden Referat Jungs Gegenüberstellung von westlichen und östlichen Weg in ihrer aktuellen Bedeutung zusammenfassen. Der westliche Weg hat sich nach Jungs Tod rasant weiterentwickelt, was auch durch seine Werke angestoßen wurde. Seine Begrifflichkeit wird aber aus heutiger transkultureller und traditionsübergreifender Sicht teils kritisch gesehen. In der transpersonalen Psychologie hat man versucht, was Jung eigentlich ablehnte, östliche Meditationsmethoden für das westliche Bewusstsein sozusagen kompatibel zu machen. Entstanden sind mittlerweile weit verbreitete, auf Achtsamkeit beruhende Verfahren wie z.B. MBSR von Kabat-Zinn. Gleichzeitig entwickelte sich mehr Sensibilität für die vergessene abendländische mystische Tradition.

Auch die Erkenntnisse aus der Psychotherapie- und Meditationsforschung vermehrten sich rasant, Spiritualität und Meditation gilt heute als wichtige therapeutische Ressource. Verfeinerte neurowissenschaftliche Untersuchungsmethoden führten zu einer intensiven Erforschung von mystischen und meditativen Zuständen. Verbunden mit der „psychedelischen Renaissance“ wurde nachgewiesen, dass psychedelische Substanzen signifikant häufig mystische Erfahrungen hervorrufen. Diese können heute, neben ihrer Beschreibung, auch direkt mit einer verfeinerten Messung der Hirnströme und bildgebenden Verfahren wie das fMRT präzise untersucht werden.

Anhand der dabei festgestellten Veränderungen in den neuronalen Netzwerken lässt sich auch die „Aufhebung“ Ich-strukturierender Vorgänge in der Meditation besser einordnen. Damit fällt auf Jungs Vorbehalte zur mystischen Erfahrung, dass es in dieser zu einer Auflösung des Ich komme, ein neues Licht. Ein Bewusstsein ohne das Ich konnte sich Jung nicht vorstellen, er fokussiert von daher auf die bewusstseinserweiternde Auseinandersetzung des Ich mit der seelischen Bilderwelt (Alchemie) und auf die Aktive Imagination. Obwohl man davon ausgehen kann, dass Jung persönlich mystische Erfahrungen gemacht hat („Ich glaube nicht, ich weiß“), finden diese in seiner Theorie nicht so richtig einen Platz. Neumann („Der mystische Mensch“. In „Umkreisung der Mitte I“. Zürich 1953. S. 183) dagegen sieht in den höchsten mystischen Zuständen „ein erweitertes, nicht etwa […] ein aufgelöstes Bewusstsein“ (ebd.), in dem „nicht mehr das Ich das Zentrum darstellt, sondern das Selbst, um welches das Ich kreist.“. Sie münden zudem „in eine gesteigerte schöpferische Aktivität in der Welt.“ (ebd.)

Interesssenten am Aufbau einer solchen Arbeitsgruppe können sich gerne vorab mit mir per Email unter manfred.krapp@t-online.de in Verbindung setzen und mir eigene Ideen und Vorschläge mitteilen. Ich kann diese dann bei den Vorbereitungen zur Arbeitsgruppe besser berücksichtigen.

Zur Person:

Dr. med. Manfred Krapp ist Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Ausbildung zum jungianischen Psychoanalytiker am C.G. Jung-Institut in Zürich. Promotion bei Prof. G. Benedetti über bildnerische Gestaltungen von psychotisch Kranken in Gruppen. Seit 1985 in eigener Praxis tätig. Dozent am C.G.Jung-Institut Zürich.
Buchveröffentlichungen:
ICH – DU – WIR. Zur bildnerischen Symbolik von therapeutischen Transformationsprozessen in Gruppen. Opus magnum 2010
„Das Girl von Ipanema“ als Seelenbild. Tom Jobims unerfüllte Sehnsucht.“ Ibidem-Verlag 2016

Meine meditative Praxis begann mit dem Autogenen Training während meines Medizinstudiums. Inspiriert durch meine erste Indienreise 1977 praktiziere ich seitdem Hatha-Yoga und Kriya-Yoga in der Tradition von Yogananda. Weitere Indienreisen führten mich u.a. in den Ashram von Ramana Maharshi, den berühmten Heiligen, den Jung nicht besuchen wollte. Der Dialog zwischen hinduistischer Tradition und Christentum regte mich dazu an, Yoga mit christlicher Meditation zu verbinden. Ausgedehnte Reisen nach Brasilien brachten mich wieder mit der katholischen Religiosität meiner Kindheit in Verbindung, zudem bekam ich einen Einblick in die vielfältigen synkretistischen Religionsformen dieses Landes.

Kostenbeitrag: Gäste 12 / 10 / 8 € (Gäste/Mitglieder/Studierende und Erwerbslose).

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen